miércoles, 29 de julio de 2020

Bloss keine pastorale Umkehr - Zur neuen Pfarrei-Instruktion der vatikanischen Kleruskongregation


Bloss keine pastorale Umkehr – Zur neuen Pfarrei-Instruktion der Kleruskongregation
Als deutscher Bischof im Ausland bin ich verwundert ueber die aufgeregte und voreilige Reaktion einiger meiner Kollegen in Deutschland. Als ich noch Student und dann Priester in der Erzdioezese Freiburg war, hatte ich nach vatikanischen Publikationen auch meist nach Asterix-Manier reagiert: “Die spinnen, die Roemer”. Nach 24 Priester- und 3 Bischofs-jahren am “Ende der Welt”, sehe ich die Dinge etwas gelassener: Roemische Verlautbarungen sind nicht nur fuer mich, sondern fuer ganz unterschiedliche Kirchen in weit ueber  hundert Bischofskonferenzen geschrieben. Dass man die nicht alle vorher konsultieren kann und dass der gesamte Text nicht fuer alle gleich zutrifft, liegt eigentlich auf der Hand.
Die Instruktion der Kleruskongregation ist keineswegs nur fuer Deutschland geschrieben. So wird ausfuehrlich auf die notwendige Mitarbeit der Laien in Pfarrgemeinde- und Stiftungsraeten hingewiesen, sowie auf einen transparenteren und weniger kommerziellen Umgang mit Finanazen allgemein sowie Messstipendien im Besonderen. Das ist eine Gewissenserforschung fuer die Lateinamerikanische Kirche, die Deutsche hat hier ihre Hausaufgaben laengst gemacht.
Deutsche Bischoefe fuehlen sich wahrscheinlich zu Recht in den Kapiteln 6-8 (von 11) angesprochen, wo auch ausfuehrlich auf die Seelsorgeeinheiten und Grosspfarreien eingegangen wird. Dabei scheint es ein Missverstaendnis zu geben: Es geht der Kleruskongregation nicht um eine weitere Klerikalisierung der Kirche sondern im Gegenteil um eine staerkere Mitbeteiligung der Laien. Da wird naemlich das Phaenomen in den Blick genommen, dass Ordinariate gerne am gruenen Tisch neue Riesenpfarreien bilden wollen, ohne auf die Gefuehle der betroffenen Menschen zu achten (Nr 36). Mir scheint es durchaus angebracht zu sein, Pfarreien nur im konkreten Einzelfall aufzuloesen und nicht die Laien in den Pfarreien mit dem schon beschlossenen Pastoralkonzept vor den Kopf zu stossen. Letzlich wird man natuerlich an einer Zusammenlegung nicht vorbeikommen, aber wenn Rom hier ein stufenweises und schonendes Vorgehen anmahnt, macht sich die roemische Behoerde geradezu zum Anwalt der Laien in den Gemeinden. Kritisiert werden hier die oft abgehobenen Verwaltungsplaner in den Ordinariaten.
Die durchaus noetigen Strukturveraenderungen in der deutschen Pfarreienlandschaft werden durch das Papier zeitaufwaendiger in der Durchfuehrung (im Einzelfall und nicht nach Schema F), aber auch kundenfreundlicher. Kichenrechtler werden mehr zu tun haben, dies alles richtig auszudruecken, aber verunmoeglicht werden die neuen Strukturen nicht. Die Leitungsgewalt einer Pfarrei hat nach Kirchenrecht immer ein Pfarrer inne, da ist nichts zu machen. Aber wenn die Pfarreien so gross werden wie geplant, dann muss es in dieser Pfarrei Unterstrukturen geben. Im personellen Sinne sind dies Gemeinden, im raeumlichen Sinne sind es Pfarrzentren. Beide Einheiten koennen durchaus von Laien geleitet werden. So ist das hier in Peru. Pfarreien werden immer von Pfarrern geleitet, deswegen habe ich nur 22 in meiner Praelatur. Aber die Vorsteher der Gemeinden in den ueber 500 Doerfern sind selbstverstaendlich Laien, Katechisten nennen wir sie. Wegen Priestermangels sind einige Pfarreien auch Ordensschwestern “anvertraut”, ich darf sie halt nur nicht “Pfarrerinnen” nennen. Hier zaehlt sowieso kaum, was auf dem Papier steht, das Entscheidende ist eher die reale Ausuebung.
Fuer mich ist die vatikanische Instruktion hilfreich. In einem Arbeitspapier habe ich ihre wichtigsten Impulse fuer uns zusammengefasst und werde sie in den Versammlungen der Pfarrer, Ordensschwestern und Katechisten besprechen. Die “pastorale Bekehrung”, die Papst Franziskus bereits in Evangelii Guadium eingefordert hat, wird nun noch etwas konkreter. Fuer uns heisst das: Pfarrer muessen in ihrer Verwaltung transparenter werden und Laien konsequenter in Pastoral und Verwaltung einbinden. Mit Sakramentenspendung darf nicht “gehandelt” werden. Wir haben da noch manche Bekehrung vor uns und lassen uns dazu ehrlich von dem Text anregen.
Der Hintergrund des Problems ist fuer mich folgender: Die Deutsche Kirche und zum Teil auch einige andere europaeische Kirchen sind Beamtenkirchen. Sie besteht aus haupt-amtlichen Priestern und Laien und neben-amtlichen Laien. Wer in dieser Kirche etwas will ist ein Bittsteller, der seinen Antrag ans Amt stellen muss, der dann je nach Moeglichkeit gewaehrt wird. Der groesste Teil der Weltkirche ist dagegen eine Servicekirche. Sie bietet Sakramente wie Dienstleistungen an. Pfarrer halten hier gerne mehr als 4 Messen am Sonntag, wenn die Messe denn gut bezahlt wird. Das kaeme einem deutschen Beamtenpfarrer mit festem Gehalt natuerlich nie in den Sinn. Ein Pfarrer in Peru nimmt gerne noch eine Pfarrei dazu, weil ihm das mehr Einnahmen bringt. Er gibt dann auch gerne alles an Laien ab, was ihm keine finanziellen Einnahmen bringt. Ich halte beide Extreme fuer nicht gut. Und ich sehe in der Instruktion in Rom eine gute Anregung, beide Modelle noch einmal zu uberdenken. Deutschland ist viel zu sehr im Kirchensteuer und Beamtenmodell verstrickt, um echte Veraenderungen zuzulassen. Nirgendwo auf der Welt gibt es 200.000 “Kirchenaustritte” pro Jahr wie in Deutschland. Das liegt natuerlich auch an der Kirchensteuer. Aber es zeigt auch, dass das Kirchenmodell ausgedient hat. Bei solchen Austrittszahlen zu behaupten, die deutsche Kirche sei schon genuegend missionarisch ausgrichtet, halte ich fuer betriebsblinde Schoenrednerei. Natuerlich gibt es Veraenderungsbedarf in Deutschalnd. Und die Warnung aus Rom trifft auf einen wunden Punkt. Man will nur Verwaltungs-Strukturen veraendern, aber die alte Beamtenmentalitaet unangetastet lassen. Anstatt die neue Instruktion nur abzulehnen, taete es der deutschen Kirche gut, die Herausforderungen darin ernsthaft anzunehmen. Das waere ein Schritt zur “pastoralen Umkehr”.
Caraveli, 29.07.20            Reinhold Nann