Rundbrief 30 von Reinhold Nann aus Peru 23.10.11
Liebe Freunde in Deutschland.
Oktober ist in Peru der Monat des Señor de los Milagros,
des Herrn der Wunder, und in der Politik sind tatsaechlich viele Wunder
geschehen in diesen Tagen:
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Die
Begnadigung von Alberto Fujimori, dem frueheren Praesidenten wurde vom amerikanischen
Menschenrechtsgericht beanstandet und vor wenigen Tagen vom obersten
peruanischen Gericht aufgehoben
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Keiko
Fujimori, seine Tochter und Fuehrerin der Fujimoripartei, die im Parlament die
Mehrheit hat, kam fuer ein paar Tage in Untersuchungshaft wegen einer Parteispendenaffaere. Ihr
steht das Wasser bis zum Hals.
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Der
oberste Richter Perus ist am 7.Oktober ilegal nach Spanien ausgereist. Er wurde
dort bereits festgenommen und wird wohl wegen Korruption verurteilt werden, die
durch das Abhoeren seines Telefons bekannt wurde.
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Das
Parlament hat auf Druck des Praesidenten gegen den Willen der Mehrheit der
Fujimoripartei nun doch ein Referendum gebilligt, das in der Bevoelkerung auf
grosse Zustimmung stoesst.
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Mit
dem Referendum hat der Praesident Reformen und den Kampf gegen die Korruption
auf seine Fahnen geschrieben. Er hat keine Mehrheit im Parlament, aber seine
Zustimmung in der Bevoelkerung ist erheblich gewachsen.
Durch die politische und
wirtschaftliche Krise in Venezuela sind Millionen auf der Flucht. Es gibt dort
z.B. kein Insulin und eine grosse Lebensmittelknappheit. Mit 450.000
Venezolanern wurde das bisherige Auswanderungsland Peru nun ploetzlich zum
Einwanderungsland. Trotz einiger neuer fremdenfeindlicher Toene ist das Klima
aber stark von Solidaritaet gepraegt. Der Staat gibt zwar keine Sozialhilfe,
ermoeglicht aber Aufnahme und Arbeitsfindung.
Die Kirche Perus hatte im Januar den Besuch von Papst
Franziskus. Die Bevoelkerung hat massiv darán teilgenommen (ca 1 Million
Teilnehmer an den Messen in Trujillo und Lima) und eine sehr schoene Begegnung
mit den Indigenen im Regenwald. Ich konnte an allen Veranstaltungen teilnehmen,
der Papst hat die Herzen der Peruaner gewonnen.
Es gibt in meiner Praelatur bisher
keine Anzeige wegen sexuellem Missbrauch, ich bin wohl der erste Bischof hier,
der ein Telefon dafuer eingerichtet hat und vorbeugende Massnahmen in den
Pfarreien durchfuehrt. Im Nachbarland Chile geht es drunter und drueber.
Im April hatte ich eine sehr gute
Pastoralversammlung der Priester und Ordensschwestern der Praelatur. Wir haben
2 Schwerpunkte gewaehlt: Caritas und Katecheten. Wir wollen die Katecheten
besser begleiten und neue ausbilden. Jede Pfarrei wird eine oertliche Caritas
mit ehrenamtlichen Mitarbeitern aufbauen. Die Priester haben einen
Solidaritaetsfond gegruendet: Die 6 Pfarreien mit den meisten Einnahmen zahlen
in den Fonds monatlich zwischen 50 und 100 Euro ein. Die 4 aermsten Pfarreien
erhalten davon ca. 150E im Monat. Das finde ich sehr wichtig. Wir koennen nicht
von Solidaritaet reden, wenn wir sie selber nicht praktizieren.
Im Januar gab es ein mittleres
Erdbeben mit Epizentrum in unserer Praelatur. Caritas Peru konnte Soforthilfe
leisten und mit einem Projekt der italienischen Bischofskonferenz von 50.000
Euro konnte die Praelatur 20 Not-Fertighaueser mit einigen
Einrichtungsgegenstaenden an mehreren Orten aufstellen. Ausserdem wurden 5
Kirchen ausgebessert, die vom Erdbeben betroffen waren.
Von Mai bis September war ich zu
offiziellen Pastoralbesuchen in allen Pfarreien. So konnte ich mir einen guten Ueberblick
verschaffen und groessere Naehe zu den Seelsorgern und den Leuten aufbauen. Und
jetzt im Oktober beginnen schon wieder die Firmreisen.
Im August habe ich in Puquio vier
Wochen lang mit einem Privatlehrer Quechua zu lernen versucht. Ich verstehe
jetzt doch einiges, aber zum Sprechen reichts noch nicht. In Quechua sagt man
nicht Herr oder Frau soundso. Alle aelteren Leute sind Mutter oder Vater und
alle juengeren werden Kind genannt. Deswegen ist das Wort fuer Familie und Dorf
identisch. Eine sehr familiaere Denkweise der Inkas kommt da zum Ausdruck.
Im August kam auch Sophia an, die
erste Freiwillige aus der Erzdioezese Freiburg in Caravelí.
Im September wurde der
Seligsprechungsprozess des ersten Bischofs von Caravelí offiziell eroeffnet:
Friedrich Kaiser (1903-1993) aus Duelmen bei Muenster. Ich konnte ein Faltblatt
und Comic herausgeben. Er ist der Gruender der Caravelí-Seelsorgeschwestern und
ein Ansporn zum Apostolat und zur Heiligkeit.
Was habe ich mit dem gespendeten Geld
anfangen koennen:
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Die
Priester waren alle mit ihrer freiwilligen Rentenversicherung 2 Jahre lang im
Rueckstand.: ca. 2000E und ausserdem konnte ich einigen konkret in Krankheiten
oder Notfaellen helfen.
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Die
Schwestern von Puquio haben eine Art Behindertenheim fuer ca. 15 Kinder. Sie
sind am umbauen. Ich konnte ihnen ca. 10.000E zukommen Lassen.
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Das
Auto der Pfarrei in Chala hatte einen Motorschaden. 3000E.
Das Auto der Schwestern von Lampa ist mit Fahrer und zwei Insassen den Hang
hintergestuerzt. Wie durch ein Wunder wurde niemand
verletzt. Aber das Auto hatte einen Totalschaden: 5000E.
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Die
Kirche der “Jungfrau zum guten Geleit” in Caravelí ist seit Jahren im Bau, nach
dem Erdbeben von 2011. Ich habe eine Tuer gespendet: 2000E.
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In
der Pfarrschule von Caraveli wurde ein Computerraum eingerichtet und die
Aussenmauer der Altenspeisung in Caravelí konnte nach dem Erdbeben neu
aufgebaut werden: 7000E aus Herbern.
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Die
Pfarrcaritas funktioniert bereits in 9 Pfarreien. Jede bekommt von mir, bzw.
von den Spendengeldern 1300E im Jahr. Damit werden ueberwiegend Projekte fuer
Senioren gemacht. In den meisten Orten wandern die jungen Menschen ab. Die
Alten bleiben, und wenn sie von den Jungen nicht unterstuetzt werden, sind sie
die Aermsten der Armen. Der Grossteil der Spendengelder wird also in Zukunft in
diese Pfarrcaritasprojekte fliessen.
Ganz herzliche Gruesse und Gottes Segen aus Caravelí vom Bruder Bischof Reinhold Nann