Den verzweifelten Frauen vor dem Grab Jesu sagte der Engel “Freut euch!”. Wahrscheinlich glaubten sie sich verhoert zu haben, worueber sollten sie sich freuen, wo Jesús doch schon 2 Tage tot war?
In den 24 Jahren in denen ich in Peru als Seelsorger
arbeite, ist mir das zweimal ganz deutlich passiert: eine totgeglaubte Kirche
ersteht aus ihren Truemmern…
Das erste Mal war 1992: Inmitten des Terrorismus der spaeter
auch 3 Maertyrer zur Seligsprechung fuerte und 60.000 Todesopfer forderte, wo
in meiner Vorstadtpfarrei mehrere Zonen von Terrorgruppen kontrolliert waren
und ich als Priester nur mit “Genehmigung” alle paar Monate Eintritt hatte,
wurden ueberraschenderweise die Raedelsfuehrer festgenommen. Der Mythos war
gebrochen, die Angst der Bevoelkerung war weg. Die Menschen bauten Kapellen aus
Bastmatten und es brach so etwas wie ein kirchlicher Fruehling an, eine
wunderbare Aufbruchszeit. Der Aufbruch war gekennzeichnet von Gebet und
Suppenkuechen fuer die Aermsten, viele fanden wieder zu Gott und zur
Kirche.
Das zweite Mal findet gerade jetzt statt. Perú als
Schwellenland wurde hart von der Coronakrise getroffen. Dabei hatte die
Regierung zunaechst alles richtig gemacht. Schon eine Woche nach dem Auftauchen
des ersten Falles wurde eine totale Quarentaene ueber das ganze Land verhaengt.
Sie hat auch ungefaehr 2 Wochen funktioniert. Doch dann waren die Ersparnisse
der Armen verbraucht. Viele Tageloehner und Scheinselbststaendige muessten ohne
Arbeit verhungern, also mussten sie hinaus auf die Strasse um Arbeit zu suchen
aber auch sich dem Virus auszusetzen. Dazu kamen enge Wohnverhaeltnisse und ein
immer schon defizientes Gesundheitssystem: Es gab damals gerade mal 100 Betten
auf Intensivstation – landesweit. Bald wurde auch der medizinische Sauerstoff
knapp. Peru hat inzwischen ueber 70.000 Coronatote- mehr als zu Zeiten des
Terrorismus. Fast jeder hat einen Verwandten oder Freund, der starb.
Die Kirchen sind geschlossen, nun schon ueber 6 Monate lang.
Zunaechst war das auch fuer die Kirche ein Schock, ohne Gottesdienste keine
Einnahmen fuer die Pfarrer. Manche haben ernsthaft um ihr Ueberleben
gefuerchtet. Die Rettung war Facebook: Ab der ersten Woche haben alle Pfarreien
ihre Gottesdienste im sozialen Netzwerk uebertragen. Die Menschen haben ihre
Fuerbitten als Kommentare abgegeben und nach ca. 1 Monat auch an das Bankkonto
des Pfarrers bezahlt. Inzwischen feiern wir etwa doppelt soviele Messen online
als frueher mit Beteiligung der Glaeubigen. Und die Teilnehmer an den virtuellen
Messen duerften mindestens dreimal soviel sein.
Vom ersten Moment an war Caritas ein wichtiges Element. Sie
konnte Unternehmen und Einzelpersonen im In- und Ausland zu Spenden aufrufen
und ueber ihre Pfarrcaritasgruppen direkt bei den Beduerftigsten Lebensmittel
und Hygienekits verteilen. Der Erzbischof von Lima meinte treffend: Meine
Kathedrale ist jetzt Caritas. In den letzten zwei Wochen gehen die Zahlen der
Neuinfizierten und der Toten langsam zurueck. In den meisten Teilen des Landes
sind ueber 30% der Bevoelkerung bereits infiziert, in der Urwaldstatt Iquitos
sind es ca. 80%, was einer Herdeninmunitaet gleichkommt.
Unser Kardinal Pedro Barreto hat vor einem Monat die Aktion
“Peru steht auf – jetzt” gestartet. Wissenschaftler und verschiedene Glaubensbekenntnisse,
Unternehmer und Basisorganisationen tun sich zusammen um gemeinsam gegen die
Ausbreitung des Virus zu kaempfen. Das ist eine Kirche die nicht um sich selbst
kreist sondern wie ein Feldlazarett sich um die Verwundeten dieser Welt
kuemmert. Das bringt ihr nicht nur Achtung ein, sondern aktive Mitarbeit. Die
Kirche nach der Pandemíe wird eine solidarische Kirche sein, oder sie wird
nicht sein. Das Entscheidende ist: In der Dunkelheit nicht jammern, sondern an
die Auferstehung glauben. Gott handelt in seiner Kirche auch heute, wenn wir
aufmerksam dafuer sind und bereitwillig mittun.
Selbst die Natur erholte sich waehrend der Quaraentaene: Die
Luft in den grossen Staedten wurde sauber, Zugvoegel und andere Tierarten
hatten mehr Lebensraum.
Auch die Schoenstattfamilie in Peru ist aktiv. Es gibt
Facebookmessen aus dem Heiligtum, Rosenkranzgebet vom Hausheiligtum,
uebertragen und mitgebetet von Hunderten von Familien, Gruppentreffen per Zoom
und Untertuetzung von Armenspeisungen.
Auch die deutsche Kirche ist an dieser peruanischen
Auferstehung mitbeteiligt. Fuer meine Praelatur habe ich Hilfe von Adveniat,
Misereor und vielen, vielen Freunden und Einzelspendern erhalten. Herzlichen
Dank dafuer.
Mitten im Dunkel ist das Licht der Auferstehung bereits
sichtbar.
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(Dieser Artikel von mir erschien in der Zeitschrift "Basis" vom November 2020)