Rundbrief 23 von Reinhold Nann Juni
2015
Liebe Freunde,
Ich habe schon lange keinen Rundbrief mehr
geschrieben und auch den Blog nur noch sehr selten bedient. Im Facebook bin ich
eher aktiv gewesen und dann halt auf spanisch.
In der Pfarrei geht es mir nach wie vor gut. Ich habe ja
seit August letzten Jahres einen Kaplan, der allerdings ein wenig aelter ist als ich. Morgends ist er als Religionslehrer
taetig: Padre Segundo Fernández, er war schon einmal vor 10 Jahren Kaplan bei
mir in der Esperanza. Auf dem Bild bin ich mit anderen Pfarrern bei seinem
Geburtstagsmittagessen (er ist der 5te v.l.).
Im August kam auch Claudia Mueller als Voluntaria in die Pfarrei, sie ist vor allem in der Schule bei den Schwestern taetig und macht das sehr gut.
Letztes Jahr war ich mehrmals in Deutschland, zuletzt zum
Begraebnis meines Vaters im November, das habe ich ja geschrieben. Ich versuche, im Gebet immer wieder mit ihm
zusammen zu sein.
Dieses Jahr habe ich mich ziemlich in die Kommunalpolitik
eingemischt: Im Jahr 1980 hat mein
Stadtteil erst fliessendes Wasser bekommen, durch einen kanadischen Pfarrer,
der kurzerhand das Geld fuer das
Kirchendach zweckentfremdete und stattdessen ein grosses Wasserreservoir
fuer den ganzen Stadtteil bauen liess, inclusive Pumpstation fuers Grundwasser.
Es wurde eine Kooperative gegruendet in der die Pfarrei mit einem Delegierten
im Vorstand ist. Diese sollte die Wasserverteilung organisieren. Alles lief recht gut, bis vor ca 9 Jahren das
Grundwasser salzig wurde. Man hat dann doch das Wasser en bloque bei der
staedtischen Wassergesellschaft kaufen muessen. Dieses Wasser wurde aber mit
der Zeit immer teurer und damit auch die Diskussionen und Streitereien in der
Kooperative. Ich habe kurzerhand eine Art Volksbefragung im Stadtteil
organisiert. Ausserdem habe ich in allen 15 Zonen der Pfarrei Versammlungen
gemacht um zu hoeren: Was ist das Problem? Welche Loesung siehst Du? 70% waren
fuer die Aufloesung der Kooperative und fuer den Wechsel zur staedtischen
Wassergesellschaft. Sie waren die ewigen Diskussionen und die Ineffizienz leid.
(Zur Zeit kommt das Wasser nur eine halbe Stunde und das nur jeden zweiten
Tag!) Ich habe dann sofort Gespraeche mit den zustaendigen Buergermeistern und
der Wassergesellschaft gefuehrt, was mir den Zorn einiger Lokalpolitiker
zugezogen hat. Ich hielt durch und es gab 2 Abstimmungen in der
Mitgliederversammlung: Beide Male haben 90% der Mitglieder fuer den Wechsel
gestimmt. Nun ist das durch. Ich war ploetzlich ueberall bekannt, auch unter
den Nichtkatholiken. Wenn es auch sehr spannungsvoll war, bin ich dennoch froh,
da mitgemischt zu haben. Ich bin jetzt sehr viel naeher dran an den Leuten und
ihren Problemen, ich denke, das ist die Art von Kirche, die Papst Franziskus
will.
In der Pfarrei
konnte nun auch der neue Pfarrsaal in Betrieb genommen werden, auch dank
einiger Einzelspenden. Bis letztes Jahr mussten groessere Versammlungen noch im
Freien abgehalten werden, was nachts ziemlich ungemuetlich war. Die Waende sind
zwar noch nicht verputzt und gestrichen, aber es tuts. Auf dem Bild sieht man
den Saal mit Firmlingen und noch ohne Fenster, die hat er inzwischen.
Anfang dieses Jahres wurde ich heiss gehandelt als Bischofskandidat hier in Peru. Seit Papst Franziskus passe ich wahrscheinlich eher fuer dieses Amt, aber ich fuehle mich als Pfarrer einfach besser, weil naeher bei den Leuten. Ich habe jedenfalls deutlich meinen Unwillen zum Ausdruck gebracht und es scheint, dass dieser Kelch an mir vorueberging.
Mit dem Erzbischof von Trujillo gibt es nach wie vor
Spannungen wegen der Schoenstattbewegung. Es scheint ihm vor allem um unser
grosses Grundstueck zu gehen. Es ist schon traurig, wenn der Materialismus in
den obersten Spitzen der Kirche regiert. Wir antworten nicht auf dieser Ebene,
haben aber eine grosse Gebetskampagne zur “Erneuerung der Kirche” gestartet,
ganz im Sinne von Papst Franziskus natuerlich.
Durch den fallenden Goldpreis und den anderer Bodenschaetze
ist das Wirtschaftswachstum von Peru inzwischen auch deutlich zurueckgegangen,
betraegt aber immer noch ca. 4%. Naechstes Jahr sind Wahlen, da ist die
politische Situation auch angespannt.
Ende Juli werde ich knapp 2 Wochen zuhause sein, mein
Patenkind Alexandra wird heiraten. Ich werde die Zeit deswegen hauptsaechlich
mit der Familie verbringen.
Ganz herzliche Segenswuensche fuer Euch alle
Pfr. Reinhold Nann