sábado, 28 de septiembre de 2024

Mein Pilgern auf dem Jakobsweg

 Ich kam am 22.9.24 in Compostela, dem „Sternenfeld“ oder dem Grab des Apostels Jakobus (Santiago) an, nachdem ich von Burgos aus 497km zu Fuss gepilgert war.

Eine europaeische Kulturstrasse, Tausende von Pilgern tae

Bischofspalast Astorga





glich, am Wege viele romanische und gotische Kirchen, steinerne Zeugen eines tausendjaehrigen Unterwegsseins.

Ich habe unterschiedlichste Leute getroffen: eine 81 jaehrige Argentinierin, die alleine 117km von Sarria aus pilgerte, ein Franzose mit Burn-Out, ein Oesterreicher der von seiner Heimat aus schon 3 Monate unterwegs war, italienische Schulklassen, einen aelteren Hollaender der nach einem Sturz im Krankenhaus genaeht wurde und dennoch gleich wieder weiterging...

Ich hoerte vom Pfarrer von O Cebreiro, der in den 80 Jahren, als der Jakobsweg gerade wiederentdeckt wurde, in diesen aussterbenden Doerfern ueberall im Wald gelbe Pfeile auf die Baeume malte. Als er von der Polizei gefragt wurde, was er denn da mache, habe er feierlich geantwortet: „Ich bereite eine Invasion vor“. Er hatte es dann selbst nicht mehr erlebt, aber seinen Glauben habe ich bewundert.

Ich habe viel gelernt:

1.      Ich akzeptierte meine Schwaechen, vor allem im Schulter- und Rueckenbereich. Der 8kg schwere Rucksack hat mir am ersten Tag gleich erhebliche Beschwerden verursacht. Ich habe mich ueberwunden und ihn schliesslich jeden Tag einem Gepaeckdienst anvertraut. Da wo ich selbst nicht mehr kann, muss ich fremde Hilfe akzeptieren.

2.      In mir war noch viel mehr Energie und Kraft, als ich es vermutet haette. Keine Blase an den Fuessen, die Beine und der Koerper waren zwar nach jeder Etappe erschoepft, aber wohlauf. Ich musste nur meine Etappen gut einteilen und fuer gute Ernaehrung und viel Schlaf sorgen.

3.      Auch meine geistige Verfassung hat mich ueberrascht. Das klare Ziel vor Augen, das Erreichen jeder Tagesetappe und die frische Luft haben auch den Geist befluegelt. Ich wurde froehlich, dankbar und zaeh. Eine wirksame Antistress- und Antidepressions-therapie.

4.      Als Pilger wirst Du herausgefordert. In Stockbetten im Schlafsaal zu schlafen war am Anfang etwas schwierig fuer mich. Ich musste die brennende Sonne, sehr kalte Vormittage und 3 leichte Regentage aushalten. Mit der rechten Kleidung und Einstellung kannst Du aber diese auesseren Schwierigkeiten leicht ueberwinden und Gott fuer alles danken.

5.      Pilgern heisst auch achtsam sein auf die Zeichen am Weg. Ueberall gab es Wegmarken mit der Jakobsmuschel und den gelben Pfeilen. Nur 4 km vor Santiago schenkt einem der „Freudenberg“ die Euphorie, zum ersten Mal das Ziel vor Augen zu haben. Bei mir wars leider total neblig. Und dennoch war ich von tiefer Freude und dem Glauben erfuellt, dass da unten ganz nahe mein Zoiel ist, auch wenn ich nichts sehen kann. Glauben ohne zu sehen...

6.      Es gibt Menschen die in deinem Rythmus gehen und andere nicht. Mit den ersteren kommst Du vielleicht in ein gutes Gespraech, sie werden zu Wegbegleitern, den anderen sagst Du beim Vorbeigehn nur ein „Buen Camino“ (Guten Weg). Keiner wird zensiert wegen seinem Tempo oder seinen Ansichten, jeder darf sein, wie er ist. Pilger sind keine Konkurrenten, es geht nicht darum vor den anderen anzukommen sondern ueberhaupt anzukommen. Du musst Dich auf Deinen eigenen Weg, dein Tempo und Dein Leben konzentrieren.

7.      Ich bin meinen Weg fast anonym gegangen. Nur ganz wenigen habe ich auf Nachfrage gesagt, dass ich Priester bin. Ich war fast taeglich in der Messe, unerkannt als Teilnehmer. In Santiago habe ich mit-zelebriert, ohne zu erwaehnen, dass ich Bischof bin. Wichtig ist nicht meine Position oder mein Amt, sondern mein Mitgehen mit dem Volk Gottes, so wie Jesus es tat.  In Astorga habe ich einen erzbischoeflichen Palast gesehehen, der wie ein Disney-Maerchenschloss aussah. Anfang des 20sten Jahrhunderts hatte  ein Bischof den noch jungen Landsmann und Stararchitekten Gaudí engagiert. Der Bischof starb jedoch noch vor dem Ende des Bauwerks. Kirchliche Macht ist auch nur „Windhauch“, wie die Bibel (Buch Kohelet) sagt, und am Ende unseres Lebens bleibt nur die Liebe (Korintherbrief), nicht die Bauwerke.

8.      Zu Fuss pilgern heisst auch die Langsamkeit und die Betrachtung zu ueben. Normalerweise mache ich alles schnell und stresse mich selbst. Durch die Langsamkeit des Gehens wurde ich aufmerksam auf die Weg-Zeichen Gottes, die Natur, Kultur und Menschen. Pilgern heisst entschleunigen und achtsam werden auf das, was sich in Dir und um Dich herum regt.

Das Pilgern war fuer mich wie eine Neugeburt. Es gibt mir Kraft mit Geduld und Zaehigkeit meinem Ziel entgegenzugehen, das sich mir erst im Verlauf des Weges entschleiert. Dank allen Mitpilgern und Mitpilgerinnen, auch wenn es nur fuer eine kurze Zeit sein sollte.

Habt auch Ihr einen „Guten Weg“ (Buen Camino).

September 2024                                                                    Euer Reinhold Nann