sábado, 4 de febrero de 2023

Kriegsberichterstattung: Die Lage in Perú Anfang Februar 2023

 Nur wenige Tage nach dem versuchten „Selbstputsch“ von Präsident Pedro Castillo und seiner sofortigen Absetzung durch das Parlament am 6.12.22, gingen seine Anhänger und gewisse organisierte Gruppen vor allem im südlichen Andengebiet auf die Straßen und forderten den Rücktritt seiner Nachfolgerin und die Absetzung des gesamten Parlaments oder doch sofortige Neuwahlen. Dies machte sich an Straßenblockaden an 90 verschiedenen Stellen sichtbar, große Menschenmassen griffen die Polizei und staatliche Einrichtungen an, die zum Teil völlig verwüstet wurden.

Die Polizei antwortete mit außergewöhnlicher Härte. Mehr als 50 Personen wurden seither von der Polizei getötet, die meisten durch Schusswaffen. Dennoch bekam sie die Blockaden nicht aufgelöst. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen haben das Vorgehen der Polizei verurteilt.

Die Demonstranten waren zigtausende, kamen überwiegend aus indigenen Bauernvereinigungen, die in ihren Dorfversammlungen beschließen, ob sie an der Blockade teilnehmen oder nicht. Dazu kamen in meinem und in anderen Gebieten auch Vereinigungen illegaler Kleinst-Goldminen mit tausenden Teilnehmern.

Anfang Januar machten diese Menschen dann ihren Marsch auf Lima. Solange die Regierung in Lima uns nicht ernst nimmt, wird sich nichts ändern. Seitdem sind auch in Lima Zentrum täglich Tausende auf der Straße, die Polizei hat zum Schutz des Regierungs- und Parlamentsgebäudes dort 14.000 Polizisten und Militärs zusammengezogen.

Es ist wie ein Bürgerkrieg, nur dass die Aufständischen bisher nur mit Steinen bewaffnet sind. Es ist wie eine Anarchie, denn die Regierung scheint zumindest im Süden die Kontrolle verloren zu haben. Es ist ein Aufstand der Marginalisierten Landbevölkerung gegen die mittelständigen Staedtler. Es ist wie ein Aufschrei nach der COVID Pandemie: Schluss mit der Pandemie der Ungleichheit. Es ist ein tiefer Graben, der sich auch mitten durch Kirchengemeinden und Familien hindurchzieht.

Die Mittelschicht ist verängstigt und erschrocken und ruft nach dem starken Mann, der diesem Schrecken endlich ein Ende bereitet. Sie vermutet überall Kommunisten und Kriminelle, was deren wirkliche Bedeutung jedoch weit überschätzt. Im Moment spielt die bisherige Vizepräsidentin die Rolle der starken Frau, unterstützt von der großen Mehrheit des Parlaments. Weder die Präsidentin noch das Parlament will zurücktreten, was ja die zentralen Forderungen der Demonstranten sind. Keiner weiß, wie lange diese Blockadesituation noch andauern wird, wie viel Blut noch vergossen werden muss, es könnte in einer Revolution oder Militärdiktatur enden.

Caraveli ist ein relativ kleiner und ruhiger Ort. Aber seine Zugangswege waren ständig blockiert und es gab bereits Mangel an Lebensmitteln, was teilweise durch örtliche Produktion ausgeglichen werden konnte. Auch aus unseren Gemeinden gibt es sowohl Teilnahme und Zustimmung als auch entschiedene Ablehnung der Proteste. Als Bischof war ich mehrfach in meiner Reisefreiheit schwer behindert, im Januar hatten wir z.B. Bischofskonferenz in Lima. Da ich nicht an den Demonstrationen teilnahm, ist mein Leben nicht in Gefahr gekommen, außer vielleicht durch abenteuerliche Fahrten durch die Wüste um Blockaden zu umgehen. Auch in der Bischofskonferenz konnten wir uns zunächst nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen: Ein entschiedenes Nein zur Gewalt, von welcher Seite auch immer sie kommen mag. Die Bischöfe aus der südlichen Provinz fordern dagegen auch, dass die Menschen von dort angehört werden in ihren berechtigten Forderungen, im Beseitigen der himmelschreienden Ungerechtigkeit und Ungleichheit, verursacht und verstärkt durch die allgemeine Korruption. Inzwischen fordert der Vorsitz der Bischofskonferenz in einem offenen Brief die Kongressabgeordneten dazu auf, endlich vorgezogene Neuwahlen zu beschließen.

Trotz allem hat in Caraveli Ende Januar/Anfang Februar das Patronatsfest stattgefunden mit hunderten von Teilnehmern. Wie die alle kommen konnten, kommt einem Wunder gleich. Unter dem Schutzmantel der Virgen del Buen Paso wird dieses Fest zu einem Ereignis der Geschwisterlichkeit, auch ein kleines Wunder in Zeiten des Bürgerkrieges.

Ich habe meine Gefühle im Bild der weinenden Maria unter dem Kreuz ausgedrückt, nur dass sie jetzt 2 Söhne hat, die sich Kain und Abel nennen und sich gegenseitig umbringen wollen. Nach dem Ende der Gewalt muss ein gegenseitiges Anerkennen der Geschwisterlichkeit folgen, sonst wird der Friede nur von kurzer Dauer sein.  Im Moment kann ich nur sagen: Betet für uns.

Caraveli, 4.2.23                 Reinhold Nann

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