Kirchen-Manifest:
Ein deutsch-peruanischer Bischof macht sich so seine Gedanken zur Kirche:
¿Was passiert gerade in der katholischen Kirche?
1.
Wir werden weniger: Massiver Mitgliederschwund in
Deutschland. Massiver Rueckgang der Gottesdienstbesucher und massiver Rueckgang
der Zahl der Priester.
2.
Missbrauchskrise: Die Missbrauchskrise hat die Glaubwuerdigkeit
des Klerus, die hierarchische Struktur der Kirche und den Zoelibat noch einmal
massiv in Frage gestellt.
3.
Fluegelkaempfe: Im Vatikan und auf der Ebene der Bischoefe geht
es gerade heiss her: Immer deutlicher aeussern sich Kritiker von Papst
Franziskus: Erst waren es die Zweifler-Kardinaele (dubia): Burke, Meissner,
Brandmueller und Caffara. Dann kam Kurienerzbischof Viganó gefolgt von einigen
US-Sympatisanten. Und gerade erst Papst Benedikt und Kardinal Mueller. Kardinal
Sarah gehoert schon laenger zu diesem Fluegel.
Die konservative Fraktion stellt sich gegen Franziskus und dessen
Reformplaene. Kardinal Mueller meint gar, die Kirche als Institution sei gar
nicht reformierbar, weil sie von Gott stammt. Dass sich ihre geschichtliche
Gestalt in den letzten 2000 Jahren staendig veraendert hat, scheint er
ueberhaupt nicht wahrzunehmen. Auf der anderen Seite ein staendig wachsender
Block der (nicht nur aber vor allem) von Franziskus ernannten Bischoefe und
Kardinaele. Die Synodalitaet bringt Bewegung in die Reform der Kirche, auch
wenn sie aufgrund der grossen Zahl der Bischoefe und der sehr unterschiedlichen
Situationen weltweit nur sehr langsam vorankommt. Und es gibt auch einige sehr
agressive rueckwaertsgewandte Priester und Laien.
4.
Frauenfrage Daran kommt die Maennerkirche nicht vorbei. Und es
faellt ihr unsagbar schwer, hier wirkliche Erneuerung zuzulassen. Viele Frauen
in Europa und Nordamerika werden ungeduldig, koennen nicht laenger warten: Wird
es rechtzeitig zu wirklichen Reformen kommen, oder werden die Frauen massiv aus
der Kirche auswandern? Das koennte zu einer neuen Fluechtlingskrise fuehren. (Das
koennte man auch ausweiten auf die Laien- und Gender-Fragen).
5.
Welt ohne Gott: Gott kommt kaum noch vor in der saekularen Welt.
Allenfalls als Traditión, Erinnerung an fruehere Zeiten. Der Mensch hat seine
Stelle eingenommen. Aber die Welt ist dadurch nicht menschlicher geworden:
Gewalt, Krieg, Leid und Hunger sind nicht auszurotten.
¿Wohin wird das fuehren?
Was ich mir nicht
erhoffe:
1.
Eine
Spaltung in der katholischen Kirche. So wie nach dem Konzil die Lefebfre-Leute
aus der Kirche auszogen, koennten nun auch die Burkes und Muellers eine neue,
„rechtglaeubige“ Kirche gruenden.
2.
Ein
massiver Auszug der fortschrittlichen Kraefte aus der Kirche mit einem
anschliessenden Rechtsruck der Uebriggebliebenen, die im besten Fall noch die
Groesse einer Sekte wie die Zeugen Jehovas haette.
3.
Eine
voellige Verweltlichung der Kirche. Ohne frohe Botschaft, ohne Gott, waere sie
noch so eine Art christlicher Heimatverein mit etwas sozialem Engagement.
Was ich mir
erhoffe:
1.
Kirche,
als Ort des Lebens. Da darf und muss es unterschiedliche Formen von
Zugehoerigkeit geben: Engagierte, die in kleinen intensiven Gemeinschaften
zuhause sind und von dort aus wirkliches soziales oder kirchliches Engagement
zeigen. Mitarbeiter, die sich zeitweise und je nach ihren Gaben engagieren.
Mitglieder, die die Intensitaet ihrer Mitgliedschaft selber bestimmen koennen.
Sprirituelle, die bei der Kirche immer wieder auftanken, ohne sich deswegen
binden zu muessen. Hilfesuchende, die zumindest ein offenes Ohr finden.
2.
Statt
Ausschluss Einbeziehung der Gaben aller. Hinhoeren und Neues zulassen. Altes
nicht leichtfertig ueber Bord werfen, sondern sorgfaeltig pruefen.
3.
Auf
Gott hoeren. Nicht meinen Willen durchsetzen bei den dringend anstehenden
Reformen, sondern ganz auf Gott vertrauen. Gott ist schon da, in dieser
globalisierten und sich staendig veraendernden Welt. Es muss Seine Reform sein,
nicht meine. Ich glaube, dass uns in dieser Zeit des Wandels der Geist
geschenkt wird, der Heilige Geist von der pfingstlichen Erneuerung der Kirche.
¿Was sollten wir jetzt tun?
1.
Zielstrebig
an der Erneuerung arbeiten aber mit langem Atem. Wer mit kurzem Atem rennt,
wird schnell muede und gibt auf. Daher langsam gehen, aber vorwaerts, niemals
zurueck. Das Konzil wird jetzt erst wirklich umgesetzt, es wird wohl noch
einiger National- und Dioezesansynoden beduerfen.
2.
Nicht
gegen Franziskus sondern mit ihm. Er hat die Erneuerung angestossen, stoesst
aber auf viele Grenzen und Widerstaende. Auch wenn es mir zu langsam geht,
nicht dem vorsichtigen Reformer in den Ruecken fallen.
3.
Gemeinschaftliche
Prozesse anstossen. Wir sollten viele „Basisgemeinden“ gruenden. Leute die
beten, suchen und einfach vorwaerts gehen. Wir sind Kirche. Wir sind Gemeinde.
Franziskus und seine Bischoefe brauchen Leute, die einfach einmal die
zukuenftige Kirche ausprobieren und leben. Ohne gleich Priesterinnen zu weihen,
koennen heute schon Frauen Kleingemeinden leiten. Solange nur Priester Eucharistie
feiern duerfen, sollten einfach neue Gottesdienstformen ausprobiert werden. Die
Pfarreien werden immer groessere Territorien umfassen. Aber darin wird Platz
sein zum Ausprobieren von vielen neuen Gemeindetypen. Das sollten wir einfach
tun. Papst Franziskus beginnt die Reform an der Spitze. Wir sollten uns an der
Basis mehr zutrauen.
Caravelí, 7.5.19 Reinhold Nann
Fragen zum Weiterdenken:
Carlos Castillo
der neue Erzbischof von Lima, hat bei seiner Bischofsweihe im Februar dieses
Jahres allen Glaeubigen und Gruppierungen in Lima, ja sogar den Nichtglaubenden
folgende Frage gestellt, die ich dann auch in meiner Praelatur gestellt habe
und Ihnen allen stellen moechte:
1.
¿Was
fuehlen Sie in der Tiefe ihres Herzens, wie die Kirche sich aendern sollte?
Ich wuerde dem
noch eine zweite Frage hinzufuegen:
2.
¿Wozu
sind Sie bereit, mitzutun an dieser Aenderung?
Treten wir in
einen Dialog ein. Ihre Antwort (oder die ihrer Gruppe) koennen Sie schicken an:
r.nann@web.de
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