Abenteuer Putumayo: 4
Wochen im Boot, 1200km, 22 Doerfer
Vom 20.4. bis 19.5. war
ich unterwegs auf dem Fluss Putumayo, dem Grenzfluss zwischen Peru und
Kolumbien . 2/3 des 1300km langen peruanischen Teils gehoeren zu meiner
Pfarrei, alle 39 Doerfer liegen an diesem Fluss. Er ist hier ungefahr so breit
wie der Rhein bei Breisach, weniger tief aber mit sehr vielen Seitenarmen und
Inseln schlaengelt er sich mit unzaehligen Windungen durch den Urwald. In der ersten
Jahreshaelfte steigt er um einige Meter an und ueberschwemmt mit seinen
schlammhaltigen Wassern den sonst recht sandigen und wenig fruchtbaren Boden.
So sind diese Ueberschwemmungen ein Segen und ein Fluch zugleich, wenn sie zu
frueh kommen, vernichten sie die Ernte, machen das Leben im Dorf kompliziert
(die Hauser stehen ja auf Pfaehlen aber von einem Haus zum anderen gehts dann
nur im Kanu) und vor allem verbreiten sich diese fuerchterlichen Stechmuecken
ungehindert, das heisst Durchfall, Malaria, Dengue-Fieber.
Mit im Boot waren 4 Personen: Bea, eine polnische
Laienmissionarin, die zum dritten Mal diese Tour organisiert, Saul ein junger
Mann aus der Pfarrei, Raul der Steuermann und Gisella, die Koechin. Die Tour
ist nicht billig, der Motor gehoert der Pfarrei, das Boot ist geliehen und der
Sprit (5 Faesser) kostet etwas mehr als 1000 Euro, ungefaehr 6 Monate
Mindestlohn in Peru. Das 19m lange Holzboot hatte 5 Schlafpritschen mit
Schaumstoffmatratze und Moskitonetz, der einzig sichere Ort vor den verfluchten
Plagegeistern. Das Mueckenschutzspray oder Oel half zwar ganz gut gegen die
Schnaken, aber die wesentlich kleineren Mosquitos die einem lautlos in die Haut
beissen, haben sich darán nicht im geringsten gestoert. Die Schlafstelle war
ueberdacht und mit Plastik verstaerkt, was wunderbar gegen die ploetzlichen und
starken Regenfaelle war, aber tagsueber bei Sonne einfach zu viel Hitze
erzeugte. Lange Aermel sind ein Schutz aber nach einer Stunde war das Hemd
verschwitzt. Mit einem Faecher Wind zu machen war das einzige was half. Die
Einheimischen waren auch ueberall mit Stichpumkten uebersaet, da half nur eines:
Zaehne zusammenbeissen. Das Klo im Boot war nur 1,5m hoch und duschen musste
man sich mit einem Eimer zwischen den Benzinfaessern, das war ein Fressen fuer
die Muecken. Ich war nach wenigen Tagen voellig genervt, vor allem als auch
noch mehrmals der Motor ausfiel. Ich war drauf und dran alles hinzuschmeissen,
Was mir geholfen hat waren die langen Stunden des Ausruhens in der Nacht. Da es
auf den meisten Doerfern keinen Strom gab, ging man um 8 ins Bett bis am
naechsten Morgen um 6.
In den 39 Doerfern gibt
es 8 Ethnien (Huitotos, Orejones, Maijuna, Bora, Yaguas, Ticuna, Quichua und
Ocaina. Allerdings haben sich seit dem Voelkermord in der Kautschukzeit (um
1900) die Etnien vermischt und die Sprachen und Traditionen sind am Aussterben.
Nur in einem Dorf wird noch wirklich untereinander Tikuna gesprochen, in den
restlichen gibt es noch ein zwei Alte, die oft auch noch unterschiedliche
Sprachen sprechen. Es wird keine traditionelle Kleidung mehr getragen, aber in
der Vorstellung was Gott ist, die Sehle und die Heilung von Krankheiten, da
haben sich noch viele alte Werte erhalten, die wir als Kirche nicht ablehnen.
Ja so hat Gott frueher zu den Alten im Urwald gesprochen, das ist so etwas wie
das Alte Testament, auf dem der Glaube an Jesus Christus dann aufbaut.
Interessant am Leben am
Fluss ist: Jedes Kind ab 3 Jahren kann schwimmen. Ab 5 Jahren koennen sie schon
Kanu fahren und fischen und wenn sie ihr erstes Wildschwein geschossen haben,
koennen sie auch eine Familie ernaehren und gruenden.
Die kleineren Doerfer haben 5-10 Familien und ca 50
Einwohner. Die meisten sind verwandt. Der Haeuptling (cacique) wird gewaehlt.
Es ist eine Subsistenzwirtschaft. Man produziert um zu leben, es gibt kaum
Verkauf oder Einkauf von Waren. Es gibt auch kaum eine Moeglichkeit etwas zu
verkaufen, Fisch kann nicht 14 Tage lang transportiert werden bis in den Rest
von Peru. Holz wird an der Grenze scharf ueberwacht, im Augenblick gibt es nur
eine legale Moeglichkeit gut zu verdienen: Der Arahuana-fisch (ich vermute dass
es sich um den Drachenfisch handelt, laicht im Maerz bis Abril. Dem Mutterfisch
werden seine Laiche aus dem Mund gezogen und dafuer bekommt der Fischer von
einem Aufkauefer ca. 50 Euro. Man sagt, dieser Fisch sei bei den Chinesen sehr
beliebt. Seit 10 Jahren waehrt der Boom, wie lange noch? Sonst gibt es
natuerlich noch die illegalen Geschaefte: Edelhoelzer, deren letzte Exemplare
man immer tiefer im Urwald suchen muss. Kolumbianische Haendler zahlen gut.
Coca natuerlich, frueher war hiera uf beiden Seiten des Flusses ein wahres
Drogenanbaumekka, aber das hat sich in den letzten Jahren doch sehr geaendert.
Die Praesenz und Zusammenarbeit von Militaerpatrullen beider Laender hat das
Geschaeft schwieriger gemacht. Das gleiche gilt fuer die illegalen
Goldwaescher. Auf grossen Floessen wird der Sand am Ufer abgepumpt, mit
Quecksilber versetzt und nachher wird von Hand das Quecksilber und das Gold
getrennt. Auch da haben beide Staaten diesen Umweltverschmutzern und
Sich-selbst-vergiftern den Krieg erklaert. Ca 6 diesser Floesse sind bereits
vernichtet worden. Das Problem ist. Die einzigen groesseren Doerfer, die
wachsen, weil es dort Arbeit gibt, leben von diesen illegalen Aktivitaeten, ich
schaetze es duerften ca 50 Familien sein.
Wenn wir in ein Dorf
kommen, wird zu erstmal der Kazike besucht. Mit ihm machen wir aus, wann die
Dorfversammlung sein kann, ob am gleichen Abend (geht meistens nicht, weil es
keinen Strom gibt) oder am naechsten Morgen. Wenn das Dorf mehrheitlich katholisch ist, gibt es
dann noch eine Feier, manchmal eine Messe. Insgesamt habe ich auf dieser Fahrt
42 Kinder und 6 Erwachsene getauft, nur dreimal Eucharistie gefeiert, weil
niemand ausser dem Misssionsteam zur Kommunion gegangen ist, da waren
Wortgottesdienste dann einfach die bessere Loesung.
Ca 1/3 der Doerfer sind jetzt mehrheitlich evangelikal. Bis
in die 80er Jahre, als die Pfarrei mehr praesent war, waren noch alle
katholisch und es gab Gemeindeleiter in allen Doerfern, die meisten feierten
Wortgottesdienste am Sonntag. Da die Pfarrei nicht mehr kam wurde das nur noch
in einem Dorf durchgehalten, aber es gelang mir, in mehreren Doerfern wieder
Leute zu gewinnen, die sich darauf vorbereiten werden, Gemeindeleiter zu sein.
Die meisten waren sehr erfreut, dass die Pfarrei nun wieder in den Doerfern
auftaucht. Oft wurde ich etwas abwartend gefragt, ob ich denn laenger bleiben
wuerde. “Wenn Gott will” war dann meine Antwort.
So werde ich nun wahrscheinlich 3 Monate im Jahr auf dem
Fluss leben: 2 Reisen flussabwaerts und 2 Flussaufwaerts. Nirgendwo gibt es
Haendyempfang, allerdings gibt es in 5 Doerfern ein oeffentliches Telefon und
in weiteren 10 ein Amatuerfunkgeraet, so dass die Schwestern am Pfarreisitz
informiert werden koennen, wo wir gerade sind.
Gottseidank ist der Sitz der Pfarrei in der Kleinstadt El
Estrecho, wo die Muecken (fast) kein Problem sind und ich zumindest uebers
Telefon erreichbar bin. Herzlichen Dank auch allen Spendern, ich bin heute nach
langer Zeit mal wieder im Internet und muss mich erst mal informieren, was von
wem gekomen ist. Ganz besonders moechte ich Euch um Euer Gebet bitten, in
solchen Extremsituationen ist es die Kraft, die mich durchhalten laesst.
Iquitos, 22.5.17 Euer
Reinhold Nann
No hay comentarios:
Publicar un comentario