Pfr Reinhold Nann Rundbrief 27 aus Perú 3/17
Alles am Fluss
Liebe Freunde,
Nun bin ich schon fast 5 Wochen in Iquitos und doch noch
nicht an meiner neuen Stelle. Diese erste Zeit ist noch eine Einfuehrungs- und
Kennenlernphase. Ich bin zwar schon 20 Jahre in Perú, habe aber das Gefuehl,
noch einmal ganz von vorne anzufangen.
Gleich am Anfang hat sich ein Zehennagel quer gestellt und
musste teilweise gezogen werden. Ich schenkte dem kaum Beachtung, habe meinen
normalen Rhytmus beibehalten und der Zeh wollte einfach nicht abschwellen.
Daraufhin bekam ich eine Woche Bettruhe verordnet, was ich fuer intensives
Lesen genutzt habe. An die Temperatur habe ich mich mittlerweile gewoehnt, auch
das verlangsamt den Lebensrythmus weiter. Die Stechmuecken bleiben laestig, so
langsam weiss ich wann und wo ich mich dagegen einschmieren muss.
Ich bin viel gereist. Von den 17 Pfarreien oder
Missionsstationen habe ich 10 besucht, davon waren 4 nicht mit einem Priester
besetzt. Alle liegen am Fluss: die meisten direkt am Amazonas oder an einem der
3 groesseren Nebenfluesse. Mein Reisebegleiter war Cesar Caro, spanischer
Dioezesanpriester, der auch gerade hier seinen Dienst beginnt. www.kpayo.blogspot.pe
Wir haben viel gesehen, mit den anderen Missionaren geredet
und von ihnen gelernt. Es gibt ein Netzwerk fuer Amazonaspastoral, das auch vom
Vatikan und den deutschen Hilfswerken unterstuetzt wird: REPAM. Es hat unter
anderem folgende Schwerpunkte: Pastoral an den Grenzen (Migration),
Indiopastoral, Menschenrechte, lebenswertes Leben, Bildung. Es gibt in den 6
Laendern, in denen der Amazonas ist, 100 Dioezesen oder Vikariate, die am
Amazonas gelegen sind. Der Amazonas produziert 20% des Sauerstoffs dieser Erde
und einen grossen Teil des Suesswassers.
Meine zukuenftige
Pfarrei: San Antonio del Estrecho
El Estrecho ist eine
Klein- und Grenzstadt am Putumayo, der die Grenze zu Kolumbien bildet. Ausser
den 5000 Einwohnern in der Stadt (knapp 1000 sind Militaer: Marine, Luftwaffe
und Heer!) liegen ca 100 Doerfer an diesem Fluss, auf ca. 600km Laenge
verstreut, die auch zur Pfarrei gehoeren. Diese Pfarrei hat seit Jahren keinen
Pfarrer und wird von 3 Ordensschwestern betreut, die auch noch ein Internat
haben. Dort sind Schueler aus den Doerfern, die dadurch die Moeglichkeit haben,
eine weiterfuehrende Schule (nach der Grundschule) zu besuchen. In nur 5
Minuten bringt uns ein Fischerboot ans andere Ufer und ohne Grenzkontrolle bist
Du in Kolumbien, in einem kleinen Fischerdorf. Bis vor kurzem waren dort noch
die Farc – Rebellen an der Macht, sie geben in diesen Tagen ihre Waffen ab. El
Estrecho ist ca. 300km noerdlich von Iquitos (Luftlinie). Es gibt keine
Strasse, mit dem Boot waeren es ca. 2 Wochen. Gott sei Dank fliegt die
peruanische Luftwaffe taeglich ca. 25 Passagiere und eine Menge Waren in
weniger als einer Stunde dorthin.
Auf dem Bild bin ich am Flughafen mit Pfr. Cesar Caro und
Schwester Lupita.
San Pablo: das Lepra
Getto vor 90 Jahren
Ca 250km von Iquitos abwaerts am Amazonas liegt San Pablo.
Dorthin wurden ab 1928 die Leprakranken des ganzen Gebietes verbannt und
isoliert. Erst in den 40er Jahren fand Maxim Kuczynski, ein polnischstaemmiger
Jude aus Berlin, der wegen den Nazis auswanderte und in Iquitos als Arzt
wirkte, experimentell eine Behandlungsmethode. Er ist der Vater des heutigen
Praesidenten von Peru! In den 50er Jahren war auch der Che Guevara fuer einige
Monate hier, bevor er nach Kuba kam (siehe sein Motorradtagebuch). 1948
entstand die Pfarrei mit kanadischen Missionaren, die kanadischen Schwestern
leiten bis heute das Lepra-heim, das allerdings nur noch 10 Patienten hat. Alle
sind von der Lepra geheilt, Leiden aber an ihren Folgen (Verstuemmelungen). In
der Praxis ist es ein Altenheim fuer Behinderte.
Das Dreilaendereck
Die Insel Santa Rosa ist 500km von Iquitos entfernt. Im
Schnellboot sind das immerhin 11 Stunden. 5min ueber den Fluss im Fischerboot
ist man entweder in Leticia/Kolumbien oder in Tabatinga/Brasilien, wenn
zwischen beiden nicht ein Schild “Grenze” stehen wuerde, wuerde man den
Uebergang nicht bemerkt haben. Beide Staedte sind Bischofssitze, haben auch
einen Flughafen (sagen wir besser: Rollfeld). Es gibt hier im Grenzgebiet wegen
fehlender Kontrolle viel Drogen- und Menschenhandel, letzterer vor allem fuer
die Prostitution. In Santa Rosa ist die kleine Holzkirche in erbaermlichem
Zustand. In wenigen Jahren wird der Holzwurm sie vernichtet haben. Hier wohnen
ca 2000 Menschen, es gibt nur eine Art Mesnerin, zum Sonntagsgottesdienst den
ein Priester aus Leticia haelt, kommen ca 10 Personen.
Ca 1 Stunde entfernt
liegt Islandia, am Eingang zum Yawarí Fluss. Auch eine Insel, die die meiste
Zeit des Jahres ganz unter Wasser steht. Die ca. 3000 Bewohner leben in einer
Art Pfahlbauten, auch die Gehwege, die die Hauser verbinden, ruhen auf
Pfaehlen. Es sieht ganz lustig aus, wenn die Kinder den grossen Platz als
Schwimmbad benutzen. Die Pfarrkirche ist ganz nett, das Pfarrhaus aus Holz hat
immerhin 10 Betten. Ich lerne die gerade angekommene Schwesterngemeinschaft kennen:
5 Schwestern zwischen 30 und 70 Jahren, alle aus Brasilien, aus 4 verschiedenen
Ordensgemeinschaften, ohne Tracht. Sie werden die Pfarrei leiten und vor allem
die Doerfer des Yawarí besuchen, die vor 9 Jahren zum letztenmal einen
Pastoralbesuch von 2 Laienmissionaren bekommen haben. Es gibt dort viele
Doerfer, die inzwischen zu 100% nichtkatholischen Gruppen angehoeren.
Ein Vikariat kurz vor
der Pleite
Die Einnahmen einer Pfarrei hier belaufen sich auf ca. 40E
monatlich an Kollekten und etwas weniger an Stipendien (Taufen und Messen). Das
Vikariat erhaelt jaehrlich ca. 30.000E von Rom (Propaganda Fide, vor allem aus
den Missionskollekten). Sein
Jahreshaushalt belauft sich auf knapp eine Million Dollar, wovon 2/3 in soziale
Projekte gehen, die ueberwiegend ueber internationale Hilfswerke finanziert
werden. Das Problem sind die Personalkosten der ca. 51 Missionare (Priester,
Schwestern, Laien) und die Instandhaltungskosten der Haeuser, Kirchen sowie
einige Verwaltungskosten. Dafuer klafft im Haushalt 2017 ein 100.000 US$ –
Loch. Ich gehoere zu den wenigen Ausnahmen, die von ihrer Heimatdioezese ein
Gehalt bekommen, und damit dem Vikariat keine Kosten verursachen. Ich habe
bereits ein Hilfsgesuch an die Erzdioezese Freiburg geschickt, und hoffe auf
eine grosszuegige Unterstuetzung. Ich werde auch die Haelfte meines Gehalts dem
Vikariat geben, ich denke, dass mir die andere Haelfte sowohl fuer mich selbst
als auch fuer die Pastoralarbeit in der Pfarrei genuegt. Diesmal bitte ich um
eine grosszuegige Spende nicht fuer mich und meine Arbeit, sondern fuer die
restlichen Missionare in diesem Vikariat. Vielleicht gelingt es mit vielen
kleinen Hilfen das fuer uns grosse Loch zu stopfen. Ihr koennt eure Spende
direkt auf mein Konto machen oder fuer die Spendenquittung an meine Heimatpfarrei
in Vogtsburg.
In allen Schwierigkeiten mache ich immer wieder die
Erfahrung: Gott laesst mich nicht im Stich. Diese Erfahrung wuensche ich Euch
allen
Iquitos, 14.3.2017 Reinhold
Nann r.nann@web.de Privat: IBAN: DE53 7509 0300 0007 1054 87 Pfarrei Vogtsburg: DE16 6806 3479 0024 1093 05 (Spende
Reinhold Nann)
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