Bloss keine pastorale Umkehr – Zur neuen
Pfarrei-Instruktion der Kleruskongregation
Als deutscher Bischof im Ausland bin ich verwundert ueber
die aufgeregte und voreilige Reaktion einiger meiner Kollegen in Deutschland.
Als ich noch Student und dann Priester in der Erzdioezese Freiburg war, hatte
ich nach vatikanischen Publikationen auch meist nach Asterix-Manier reagiert:
“Die spinnen, die Roemer”. Nach 24 Priester- und 3 Bischofs-jahren am “Ende der
Welt”, sehe ich die Dinge etwas gelassener: Roemische Verlautbarungen sind
nicht nur fuer mich, sondern fuer ganz unterschiedliche Kirchen in weit ueber hundert Bischofskonferenzen geschrieben. Dass
man die nicht alle vorher konsultieren kann und dass der gesamte Text nicht
fuer alle gleich zutrifft, liegt eigentlich auf der Hand.
Die Instruktion der Kleruskongregation ist keineswegs nur
fuer Deutschland geschrieben. So wird ausfuehrlich auf die notwendige Mitarbeit
der Laien in Pfarrgemeinde- und Stiftungsraeten hingewiesen, sowie auf einen
transparenteren und weniger kommerziellen Umgang mit Finanazen allgemein sowie
Messstipendien im Besonderen. Das ist eine Gewissenserforschung fuer die
Lateinamerikanische Kirche, die Deutsche hat hier ihre Hausaufgaben laengst
gemacht.
Deutsche Bischoefe fuehlen sich wahrscheinlich zu Recht in
den Kapiteln 6-8 (von 11) angesprochen, wo auch ausfuehrlich auf die
Seelsorgeeinheiten und Grosspfarreien eingegangen wird. Dabei scheint es ein
Missverstaendnis zu geben: Es geht der Kleruskongregation nicht um eine weitere
Klerikalisierung der Kirche sondern im Gegenteil um eine staerkere
Mitbeteiligung der Laien. Da wird naemlich das Phaenomen in den Blick genommen,
dass Ordinariate gerne am gruenen Tisch neue Riesenpfarreien bilden wollen,
ohne auf die Gefuehle der betroffenen Menschen zu achten (Nr 36). Mir scheint
es durchaus angebracht zu sein, Pfarreien nur im konkreten Einzelfall
aufzuloesen und nicht die Laien in den Pfarreien mit dem schon beschlossenen
Pastoralkonzept vor den Kopf zu stossen. Letzlich wird man natuerlich an einer
Zusammenlegung nicht vorbeikommen, aber wenn Rom hier ein stufenweises und
schonendes Vorgehen anmahnt, macht sich die roemische Behoerde geradezu zum
Anwalt der Laien in den Gemeinden. Kritisiert werden hier die oft abgehobenen
Verwaltungsplaner in den Ordinariaten.
Die durchaus noetigen Strukturveraenderungen in der
deutschen Pfarreienlandschaft werden durch das Papier zeitaufwaendiger in der
Durchfuehrung (im Einzelfall und nicht nach Schema F), aber auch
kundenfreundlicher. Kichenrechtler werden mehr zu tun haben, dies alles richtig
auszudruecken, aber verunmoeglicht werden die neuen Strukturen nicht. Die
Leitungsgewalt einer Pfarrei hat nach Kirchenrecht immer ein Pfarrer inne, da
ist nichts zu machen. Aber wenn die Pfarreien so gross werden wie geplant, dann
muss es in dieser Pfarrei Unterstrukturen geben. Im personellen Sinne sind dies
Gemeinden, im raeumlichen Sinne sind es Pfarrzentren. Beide Einheiten koennen
durchaus von Laien geleitet werden. So ist das hier in Peru. Pfarreien werden
immer von Pfarrern geleitet, deswegen habe ich nur 22 in meiner Praelatur. Aber
die Vorsteher der Gemeinden in den ueber 500 Doerfern sind selbstverstaendlich
Laien, Katechisten nennen wir sie. Wegen Priestermangels sind einige Pfarreien
auch Ordensschwestern “anvertraut”, ich darf sie halt nur nicht “Pfarrerinnen”
nennen. Hier zaehlt sowieso kaum, was auf dem Papier steht, das Entscheidende
ist eher die reale Ausuebung.
Fuer mich ist die vatikanische Instruktion hilfreich. In
einem Arbeitspapier habe ich ihre wichtigsten Impulse fuer uns zusammengefasst
und werde sie in den Versammlungen der Pfarrer, Ordensschwestern und
Katechisten besprechen. Die “pastorale Bekehrung”, die Papst Franziskus bereits
in Evangelii Guadium eingefordert hat, wird nun noch etwas konkreter. Fuer uns
heisst das: Pfarrer muessen in ihrer Verwaltung transparenter werden und Laien
konsequenter in Pastoral und Verwaltung einbinden. Mit Sakramentenspendung darf
nicht “gehandelt” werden. Wir haben da noch manche Bekehrung vor uns und lassen
uns dazu ehrlich von dem Text anregen.
Der Hintergrund des Problems ist fuer mich folgender: Die
Deutsche Kirche und zum Teil auch einige andere europaeische Kirchen sind Beamtenkirchen.
Sie besteht aus haupt-amtlichen Priestern und Laien und neben-amtlichen
Laien. Wer in dieser Kirche etwas will ist ein Bittsteller, der seinen Antrag
ans Amt stellen muss, der dann je nach Moeglichkeit gewaehrt wird. Der groesste
Teil der Weltkirche ist dagegen eine Servicekirche. Sie bietet Sakramente wie
Dienstleistungen an. Pfarrer halten hier gerne mehr als 4 Messen am Sonntag,
wenn die Messe denn gut bezahlt wird. Das kaeme einem deutschen Beamtenpfarrer
mit festem Gehalt natuerlich nie in den Sinn. Ein Pfarrer in Peru nimmt gerne
noch eine Pfarrei dazu, weil ihm das mehr Einnahmen bringt. Er gibt dann auch
gerne alles an Laien ab, was ihm keine finanziellen Einnahmen bringt. Ich halte
beide Extreme fuer nicht gut. Und ich sehe in der Instruktion in Rom eine gute
Anregung, beide Modelle noch einmal zu uberdenken. Deutschland ist viel zu sehr
im Kirchensteuer und Beamtenmodell verstrickt, um echte Veraenderungen
zuzulassen. Nirgendwo auf der Welt gibt es 200.000 “Kirchenaustritte” pro Jahr
wie in Deutschland. Das liegt natuerlich auch an der Kirchensteuer. Aber es zeigt
auch, dass das Kirchenmodell ausgedient hat. Bei solchen Austrittszahlen zu
behaupten, die deutsche Kirche sei schon genuegend missionarisch ausgrichtet,
halte ich fuer betriebsblinde Schoenrednerei. Natuerlich gibt es
Veraenderungsbedarf in Deutschalnd. Und die Warnung aus Rom trifft auf einen
wunden Punkt. Man will nur Verwaltungs-Strukturen veraendern, aber die alte Beamtenmentalitaet
unangetastet lassen. Anstatt die neue Instruktion nur abzulehnen, taete es der
deutschen Kirche gut, die Herausforderungen darin ernsthaft anzunehmen. Das
waere ein Schritt zur “pastoralen Umkehr”.
Caraveli, 29.07.20 Reinhold
Nann
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