martes, 11 de noviembre de 2025

Zölibat und kirchliches Arbeitsrecht in Deutschland: ändern was man ändern kann

 Auf der Amazonassynode wurde zum ersten Mal offiziell an den Papst der Wunsch herangetragen, auch verheiratete Maenner zu Priestern weihen zu können. Papst Franziskus hat dies im postsynodalen Schreiben „Querida Amazonía“ dann ignoriert. Das Pflichtzölibat, erst 1134 von der Kirche definitiv für alle Kleriker verpflichtend, ist kein göttliches Gebot und könnte jederzeit vom Papst aufgehoben werden. Es gibt weltweit tausende verheiratete katholische Priester in den mit Rom unierten Ostkirchen und als mit Familie konvertierte Pastoren der evangelischen und anglikanischen Kirchen.  Papst Leo wird es wohl nicht wagen wird, das Kirchenrecht dementsprechend zu ändern.

Dennoch gibt es neben den bereits in Partnerschaft lebenden und daher vom Dienst suspendierten Priestern immer mehr Priester und Bischöfe, die auch öffentlich eine Aufhebung des Pflichtzölibats fordern, was noch vor wenigen Jahren nur unter vorgehaltener Hand möglich war. Sie tun es vor allem im Bewusstsein, dass viele gute Priester und der Kirche erhalten geblieben wären, wenn es denn den Pflichtzölibat nicht gäbe. Etwa 2000 Priester mussten im deutschsprachigen Raum seit dem Konzil ihren priesterlichen Dienst wegen der Zölibats Pflicht aufgeben – weltweit sind es mehr als 100 000. Etwa zwei Drittel der Priesteramtskandidaten haben das Priesterseminar wegen des Zölibats verlassen (Sellmann-Studie 2024) Fast jeder Weihekurs kann ein Lied davon singen. Außerdem gibt es eine ganze Menge Priester, die in der Praxis ein Doppelleben führen und mit ihren PartnerInnen nicht wenig darunter leiden. Solange dies nicht öffentlich bekannt wird, schauen die Bischöfe meist großzügig darüber hinweg.

In Frage steht dabei nicht der Zölibat an sich, der frei gewählt wurde, von Menschen die sich ganz bewusst nicht an einen Partner und eine Familie binden möchten, um ganz frei für Gott und für eine Gemeinschaft oder eine Gemeinde sein zu können. Dennoch kann auch eine frei gewählte Entscheidung oft nicht ein ganzes Leben tragen. Es gibt Momente, wo diese Entscheidung in Frage gestellt wird und vielleicht nicht durchgetragen werden kann

Viele haben den Zölibat auch nur in Kauf genommen, weil er notwendige Bedingung zum Priestersein war. Wahrscheinlich war zu Beginn diese Bedingung gar nicht so schwer zu ertragen, aber mit der Zeit wurde es oft schwieriger.  Warum kann man also nicht wie beim Diakon, beide Möglichkeiten zur Auswahl stellen: verheirateter oder unverheirateter Diakon? O.K. dafür ist im Vatikan noch keine Mehrheit zu finden.

Im deutschen synodalen Weg hat man eine gute Lösung für wiederverheiratete Geschiedene im kirchlichen Dienst gefunden. Das kirchliche Arbeitsrecht konnte man in Deutschland ändern: für hauptamtliche kirchliche Mitarbeiter wird nun ganz einfach die Tatsache des „nicht nach der kirchlichen Lehre lebenden“ Zusammenlebens ohne Trauschein nicht mehr als Kündigungsgrund erwähnt. Problem gelöst, Mitarbeiter beruhigt.

Könnte man nicht  ähnliches für verheiratete Priester tun? Das Kirchenrecht wird in Deutschland nicht geändert werden können, das kirchliche Arbeitsrecht aber schon. Man könnte zum Beispiel suspendierte Priester als Pastoralreferenten einstellen.

So empfiehlt der Synodale Weg in Votum 7 des Priesterforums:

„(36) Die Synodalversammlung fordert die Deutsche Bischofskonferenz auf,

a) einen intensiven Austausch mit suspendierten und dispensierten Priestern zu pflegen und einer Entfremdung entgegenzuwirken.

b) es zu ermöglichen, dass sich dispensierte Priester auf allen Laien offenstehende kirchliche Berufe bewerben können. Die Integration in einen pastoralen Dienst soll wie im erneuerten Dispensreskript möglich sein.

Dasselbe fordert schon die Würzburger Synode, deren Ende vor 50 Jahren wir in diesen Tagen begehen.

Man könnte ihnen Sozialleistungen zugestehen, wie sie auch der Staat seinen aus dem Dienst ausgeschiedenen Beamten zugesteht, da ja mit dem Kleriker Status zivilrechtlich gesehen eine Art Beamtenstatus gegeben wurde. Ich habe den Eindruck, wenn man schon den Zölibat ändern möchte, aber nicht kann, sollte man wenigstens die zivilen Folgen bzw. Strafen aufheben, die beim Verlust des Klerikers/Beamten-status eintreten.

Ausgehend von mir als Bischof, der sein Amt wegen Heirat aufgeben musste, möchte ich daher konkrete Vorschläge machen, im vollen Bewusstsein, dass dies für mich gar nicht mehr rückwirkend möglich wäre, aber für viele die noch kommen, eine wirkliche Versöhnung mit der Kirche herstellen könnte und diese Leute der Kirche damit noch einen guten Dienst leisten könnten. Ich sehe mich damit in einer Linie mit der Initiative „Priester im Dialog“, die derzeit von Edgar Buettner koordiniert wird.

  1. Priester sollten sich grundsätzlich gesetzlich krankenversichern. Sollten sie dennoch in der VRK geblieben sein und mit über 55 Jahren aus dem Dienst ausscheiden, (und daher von der gesetzlichen Krankenkasse nicht mehr übernommen werden), sollte die Bischofskonferenz mit der VRK einen bezahlbaren Sondertarif aushandeln. Der aktuelle Tarif der VRK für suspendierte Priester in Rente liegt bei über 1000 Euro monatlich plus Pflegeversicherung, was eine echte Armutsfalle darstellt.
  2. Anstatt bei der DRV nachzuversichern, sollte ein Altersgeld für verheiratete Kleriker bezahlt werden, analog der staatlichen Regelung.
  3. Verheirateten Priestern sollte grundsätzlich eine weitere Anstellung in für Laien offenen Berufen angeboten werden (siehe oben), auch wenn die Laisierung von Rom noch nicht vorliegt. Damit könnten ihre Kompetenzen genutzt, sowie soziale Ausgrenzung und menschliche Verletzungen vermieden werden.
  4. Bei Nicht- Weiterbeschäftigung sollte eine angemessene Abfindung bezahlt werden, was ein Monatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung sein könnte. 3 Monate Tischtitel sind nicht nur für ältere Semester ein Hohn/Almosen?

Diese Vorschläge sind nicht einfach nur Forderungen nach Privilegien. Eine angemessene Rente und Krankenversicherung sind Menschenrechte, die die Kirche in der katholischen Soziallehre vom Staat einfordert und im eigenen Hause nicht einfach missachten kann.

Ich würde der Bischofskonferenz, den Generalvikariaten und den Priesterräten der Diözesen raten, diese Vorschläge eventuell gemeinsam mit der Initiative „Priester im Dialog“, jedenfalls mit Betroffenen zu diskutieren.

 


jueves, 16 de octubre de 2025

Mein Rücktritt als Bischof und spätere Heirat

 Ich bin Reinhold Nann, habe die deutsche und peruanische Staatsbürgerschaft, bin 65 Jahre alt und seit kurzem in Peru zivil verheiratet, wo ich mit meiner Frau lebe. Ich bin katholischer Priester seit 1987 und Bischof seit 2017, Ämter auf deren Ausübung ich verzichtet habe.  

Meinen Dienst habe ich überwiegend in Peru an den Rändern der Gesellschaft bei den Armen ausgeübt. Ich fühlte mich wohl dort und Papst Franziskus war zu Beginn ein großer Hoffnungs- und Lichtblick für mich und mein Kirchenbild. Für kurze Zeit habe ich die fast absolute Machtfülle genossen, die mir das Bischofsamt in meinem Territorium der Kirche gibt. Aber dann holte mich die traurige Realität ein. Wahrscheinlich hatte ich zuvor das Priesterbild idealisiert. In meiner Vorstellung gab es natürlich einige schwarze Schafe, aber die große Mehrheit müsste doch genauso idealistisch sein wie ich. Je weiter ich nach oben kam, um so deutlicher wurde mir das Ausmaß an Abgründen, Tragödien, Missbrauch, Mittelmäßigkeit und Lügen. Ich habe zu viel gesehen, war entsetzt und deprimiert.

Während meines Dienstes habe ich das Zölibat verteidigt, nicht unbedingt verpflichtend für alle. Und ich habe die Ehelosigkeit auch tatsächlich gelebt. Einige Male habe ich mich verliebt, aber dann doch schnell wieder meine Entscheidung für den Zölibat erneuert. Ich kam mir dabei fast wie ein Held vor, ohne zu bemerken wie ich immer einsamer und oberflächlicher wurde. Nach der Pandemie habe ich mich in die Person verliebt, die heute meine Ehefrau ist. Es ist eine Liebe, die täglich wächst und die anfangs versteckt werden musste, bis wir Klarheit über unsere Zukunft hatten.

Am 1.7. 24 bin ich als Bischof von Caraveli zurückgetreten, weil ich eine Aus- und Entscheidungszeit brauchte. Die Depression war der Anlass, die Liebe der Grund dafür. Ich war mehrere Monate in Deutschland, getrennt von meiner Partnerin, um spirituelle und psychologische Hilfe zu holen. Im Dezember letzten Jahres habe ich dann den Vatikan und die Erzdiözese Freiburg von meiner Entscheidung auch das Priesteramt aufzugeben informiert. Bis zu diesem Zeitpunkt bekam ich noch ein Gehalt von Freiburg als Fidei-Donum-Priester, eine Art Leiharbeiter für die Kirche in Peru. Der Vatikan hat mich bis heute nicht laisiert, das heißt ich lebe für die Kirchenrechtler in schwerer Sünde und übe so etwas wie ein sakramentales Fasten aus.  

Ich habe ganz vieles verloren:  meinen beamtenähnlichen Klerikerstatus, mein Einkommen, meine Beamtenpension, meine Krankenversicherung. Meine Position in der Kirche, Respekt und Aufmerksamkeit ganz vieler Menschen. Mein Glaube an die institutionelle Kirche.

Ich habe gewonnen: eine Partnerin die mich liebt, ganz zu mir passt und die ich nicht mehr verstecken muss. Die Freiheit, ganz ich selbst sein zu können, unabhängig vom Amt und der Institution.

Mein Glaube an Gott und die Kirche als Gemeinde blieb intakt.

Der Ablösungsprozess vom Klerikeramt verlief sehr enttäuschend. Ich bin im Moment „obdachlos“ in der Kirche, aber auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Von der Klerikerkirche erwarte ich keine substanziellen Erneuerungen in dieser aufgewühlten Zeit.

Zu Beginn gab es kein verpflichtendes Zölibat in der Kirche. Ich glaube, dass das krampfhafte Festhalten daran der Kirche weit mehr Schaden als Nutzen bringt. Unsere Pfarreien sind immer weniger Gemeinden und immer mehr rein sakramentale Dienstleistungsorte. Aber deswegen evangelisch zu werden ist auch nicht mein Ding. Auch dort gibt es Enttäuschendes beim Bodenpersonal. Ich werde versuchen, Kirche urkirchlicher, von unten her zu leben. Als Glaubens-Gemeinschaft angefangen von meiner Ehe als Haus-Kirche, wo ich weiterhin das allgemeine Priestertum aller Gläubigen ausführe.

Im Moment gebe ich keinerlei Interviews. Ich liebe meine Privatsphäre und schütze sie vor jedem Sensationalismus.

martes, 28 de enero de 2025

Karl Reinhold Nann: ein Opfer der Zwangs- Euthanasie der Nazis

 Karl Reinhold Nann: ein Opfer der Zwangs- Euthanasie der Nazis

Der Heimat- und Geschichts- Verein Vogtsburg konnte bei der Umgestaltung des Denkmals der Gefallenen der Weltkriege vor dem Neubau des Rathauses erreichen, dass auch ein Mahnmal für die zivilen Opfer des Nationalsozialismus dort seinen Platz fand. Nachforschungen ergaben, dass mindestens 14 behinderte Menschen aus Vogtsburg 1940 ermordet wurden. Das am besten dokumentierte Opfer trug meinen Namen und ist Cousin meiner Schelinger Oma gewesen. Ich selbst habe erst vor kurzem durch den Heimat- und Geschichtsverein von diesem Fall erfahren.

1.      Der Fall Karl Reinhold Nann

Karl Reinhold wurde am 20.8.1918 in Schelingen (heute Ortsteil von Vogtsburg) im Haus Nr.7 geboren. Sein Vater war Roman Nann, Onkel meiner Oma Elise Nann. Seine Mutter war Katharina Gut. Bald nach der Geburt von Karl Reinhold starb ihr Mann Roman und sie heiratete ihren zweiten Mann, Rudolf Dieringer.

Karl war kein gesundes Kind. Er kam mit Hasenscharte und geistiger Behinderung zur Welt, bereits mit 9 Jahren wurde er zum ersten Mal in die St. Josefs- Anstalt in Herten vom Kreiswohlfahrtsamt eingewiesen. Seit 1932 blieb er ununterbrochen in dieser katholischen Einrichtung für behinderte Kinder und Schulentlassene sowie für sogenannte nicht „bildungsfähige“ Erwachsene. Die Diagnose lautete „angeborene Idiotie mit nachgewiesener organischer Erkrankung“.

Das Nazi Regime hatte Erbgesundheitsgerichte gegründet, auch beim Amtsgericht Freiburg war eines angesiedelt. Dieses ordnete für Karl Reinhold Nann bereits 1935 eine Zwangssterilisierung an. Wegen mehrerer Einsprüche des Direktors Vomstein der Anstalt in Herten konnte dies aber erst 1937 durchgeführt werden.

Am 20.8.1940 wurde Karl Reinhold von Herten nach Emmendingen verlegt und von dort am 6.9. ins Vernichtungslager in Grafeneck (Schwäbische Alb), wo er gleich beim Eintreffen in der Gaskammer ermordet wurde. Seine Mutter Katharina Dieringer erklaerte nach dem Krieg:

„Die Anstalt in Herten hat mich von dem Wegtransport nicht benachrichtigt, und wir wussten auch nicht, wohin mein Sohn kam. Im September 1940 erhielt ich dann von einer Anstalt in Grafeneck die Nachricht, dass mein Sohn Karl an Wanderrose mit Blutvergiftung gestorben sei. Als Todestag war der 16. September 1940 um 2 Uhr angegeben. In dem Schreiben stand noch, dass niemand hinkommen dürfe, indem die Krankheit sehr ansteckend gewesen sei. Die Asche könne uns aber zugeschickt werden. Darauf haben wir aber verzichtet.“

Warum wurde dieser hilflose und geistig behinderte junge Mann umgebracht?

Die Rassenideologie der Nazis war eine Art „Sozialdarwinismus“. Man wollte den natürlichen Selektionsprozess beschleunigen, und um die arische Rasse nicht zu schwächen sollten unheilbar behinderte Menschen auf keinen Fall das Erbgut der deutschen Rasse schädigen (daher Zwangssterilisation) und auch dem Staat keine unnötigen Kosten bereiten (daher Vernichtung „lebensunwürdigen Lebens“).

Diese Ideologie wurde mit brutaler Konsequenz umgesetzt. Hitler selbst berief die unter dem Decknamen T4 (benannt nach ihrem Sitz in der Theresienstraße 4 in Berlin) laufende Medizinerkommission ein, die 1939 alle Behinderteneinrichtungen in Deutschland zwang, ein Formular für jeden ihrer Patienten auszufüllen. Die Kommission entschied dann die Ermordung von 70.000 Behinderten, die in geheime Vernichtungsanstalten verlegt und dort vergast oder vergiftet wurden. Die Toten wurden eingeäschert und die Angehörigen über die wahre Todesursache getäuscht. Dennoch wurde die Zwangs-Euthanasie bekannt, auch durch die Predigten einiger mutiger katholischer Priester, wie z.B. Clemens Kardinal von Galen aus Muenster, die jedoch dafür ihr Leben riskierten. Ein Sturm der Empörung brach aus, die Aktion wurde anscheinend gestoppt, aber auch in den Jahren danach kamen noch 30.000 weitere Behinderte um.

Der Umgang mit Behinderten Menschen der Nazis kann nur als zutiefst unmenschlich und grausam beschrieben werden. Dagegen hat jeder Mensch seine Würde, nur wegen der Tatsache, dass er ein Mensch ist, und wie wir Christen sagen: ein Kind Gottes und damit unser aller Bruder oder Schwester. Die Menschenwürde gebietet jedes Leben, auch das schwache oder andere, zu schützen und zu achten.

In dem von Hitler verursachten zweiten Weltkrieg kamen insgesamt 60 Millionen Menschen ums Leben, Soldaten und Zivilisten, Einheimische und Ausländer. Unter den zivilen Opfern befanden sich vor allem Juden, Behinderte, Sinti und Roma, Homosexuelle u.A.

Nie wieder Nazis in Deutschland und anderswo.

Vogtsburg, im Januar 2025, Reinhold Nann

 

 

Quellen:

  1. ÜBER MUTTER WIRD NICHT GESPROCHEN …“Euthanasie“-Morde an Freiburger Menschen; Silvia Böhm-Steinert: Karl Reinhold Nann: Seite 119 – 122; Mabuse Verlag 2017
  2. Artikel in „Planet Wissen“ von Andrea Boehnke y Ulrich Baringhorst 2003 in: Nationalsozialistische Rassenlehre: Euthanasie - Nationalsozialismus - Geschichte - Planet Wissen